Sommer 89: Wie das Ende der SED-Diktatur seinen Anfang nahm

Die Sozialdemokraten in der DDR leiteten bereits im Sommer 1989 — lange vor dem Mauerfall — das Ende des SED-Machtmonopols und die Demokratisierung Ostdeutschlands ein.

Der Aufruf zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) vom 24. Juli 1989 war der entscheidende revolutionäre Impuls, der auf friedlichem Wege zum Zusammenbruch der SED-Diktatur und zum schnellen Ende der DDR führte. Mit dem Gründungsaufruf war die Existenz der SED bereits zu einem Zeitpunkt infrage gestellt, als sich andere Bürgerbewegungen noch formierten und formulierten, wie der „real-existierende Sozialismus“ denn zu verbessern wäre.

Unbelastet von der Vergangenheit

SDP-Gründung und Friedliche Revolution sind nur zu begreifen, wenn sie zusammen betrachtet werden. Beide Ereignisse bedingen einander und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn nur eine Partei für die Umgestaltung der DDR und den Aufbau der Demokratie infrage kam, dann musste es eine neue Partei sein, die gleichzeitig auf eine bewährte demokratische Tradition zurückblicken konnte. Dass die SED sowie die anderen Blockparteien dafür ungeeignet waren, verstand sich von selbst. Der CDU haftete zudem noch der Geruch der Doppelmoral an, war sie doch nicht nur Ableger der SED, oder zumindest von deren Gnaden, sondern hatte zudem noch den Begriff des Christentums missbraucht, der in den DDR-Kirchen durchaus als Gegenentwurf für jegliche Art von Totalitarismus verstanden wurde.

Der Aufruf „zur Bildung einer Initiativgruppe mit dem Ziel, eine sozial-demokratische Partei“ zu gründen, markiert sowohl von seinem Zeitpunkt her (24. Juli 1989) als auch von seinen inhaltlichen Schwerpunkten („eine ökologisch orientierte soziale Demokratie“) das (vorerst ideologische) Ende des Machtmonopols der SED und den Aufbruch zur Demokratisierung der DDR. Alle anderen revolutionären Initiativen beginnen erst mit einem signifikanten zeitlichen Abstand (10. September 1989) und verzichten auf den Status einer Parteiengründung. An dieser Stelle soll nicht vergessen werden, zu bemerken, dass die Unterzeichner des Gründungsaufrufs nach der Gesetzeslage der DDR ab diesem Tag allesamt potenziell mit beiden Beinen im Gefängnis standen.

Revolutionäre Phase bis Februar 1990

Nach der öffentlichen Vorstellung des Aufrufs durch Markus Meckel in der Berliner Golgatha-Kirche am 26. August 1989, dem 200. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte, verbreitet sich die SDP-Initiative wie ein Lauffeuer in der gesamten DDR und mit der formalen Parteigründung am 7. Oktober 1989 erreicht die Friedliche Revolution einen ersten Höhepunkt. Ab diesem Tag geht es — im Unterschied zu den Forderungen der entstehenden Reformbewegungen — nicht mehr nur um Reformen des „real existierenden Sozialismus“, sondern um die grundlegende Umgestaltung der DDR zu einem Rechtsstaat mit strikter Gewaltenteilung.

Mit der Einrichtung der Runden Tische (ab 7. Dezember 1989) gewinnt die SDP einen maßgeblichen Einfluss auf den demokratischen Umgestaltungsprozess in der DDR. Dieser geht insofern positiv über die Möglichkeiten der Reformbewegungen hinaus, als sich auf dem gesamten Gebiet der DDR bereits sozialdemokratische Parteistrukturen bilden, die die Beschlüsse an den Runden Tischen umsetzen und kontrollieren.

Mit der Aufnahme der „Minister ohne Geschäftsbereich“ in die Modrow-Regierung (5. Februar 1990, für die SPD Walter Romberg) gilt die revolutionäre Phase als beendet.

Eine Sprache, die alle verstanden

Die Gründung einer sozialdemokratischen Partei und in deren Folge die revolutionäre Umgestaltung der Diktatur hätten nicht besser inszeniert werden können. Die Akteure waren selbst Teil der politisch bewussten DDR-Bevölkerung und wussten genau um Defizite und Chancen dieser Gesellschaft. Sie vertraten inhaltliche Ziele, die sie bis in die Blockparteienlandschaft hinein mit vielen DDR-Bürgern teilten. Vor allem: Sie formulierten diese Ziele in einer Sprache, die alle verstehen konnten und deren Erreichbarkeit in erfreulichem Gegensatz zu den Utopien einer Kommunistischen Gesellschaft standen.

Die strikte Orientierung an den Menschenrechten im Gründungsaufruf, an der Ökologie und dem Sozialstaat, eingebunden in eine europäische Friedensordnung, war die Basis erfolgreicher sozialdemokratischer Politik vor 30 Jahren und kann es auch heute sein.